Wenn eine solche rhetorische Frage als Überschrift dient, geht es meist darum, dass die eigentlich logische Antwort bitter böse ein Bein gestellt bekommt, diese sich beim Fallen den Knöchel verstaucht und mit dem Gesicht im Hundehaufen landet.

Demokratiefeindlichkeit braucht in der Demokratie generell niemand, erst recht nicht im höchsten Amt, die dieses Bundesland zu vergeben hat. Hier also meine herzliche Einladung, selbst darüber zu urteilen, ob die folgende Aussage des Sächsischen Ministerpräsidenten passieren darf oder, wie ich der Meinung bin, des Amtes eines Ministerpräsidenten unwürdig ist.

Vorweg: bei den folgenden Ereignissen war ich nicht selbst vor Ort, ich habe mir aber von vor Ort dabei gewesenen Betroffenen ausführlich berichten lassen und beziehe mich auch auf Aussagen weiterer Personen, die den Vorgang in Tweets bestätigt haben.

Als Michael Kretschmer vergangenen Samstag bei den Hubertusburger Friedensgesprächen in Wermsdorf den Jugendfriedenspreis verlieh und im Anschluss an einer Diskussionsrunde zum Thema „30 Jahre Deutsche Einheit – Fluch oder Segen?“ (Was für eine Frage?!) teilnahm, erzählte dieser auch aus seiner eigenen Jugend, wie er als 14-Jähriger mit einer Kerze an friedlichen Demonstrationen während der Wendezeit teilnahm. Dabei verglich er auch die damalige Zeit mit der heutigen, wobei er eine aus meiner Sicht nicht nachvollziehbare Gleichsetzung wählte.

Michael Kretschmer erzählte, dass er auf den Demonstrationen damals irgendwie friedlich mit anderen Menschen zusammen stehen konnte und dass man sich auch mit Menschen anderer Meinung, also auch mit Menschen aus der SED, sehr gut unterhalten konnte, ohne dass es, wie er es wohl formuliert hat, irgendwie gewalttätig wurde.

Und um diesen Gegensatz gegenüber der heutigen Zeit zu bekräftigen, wurde mir ein Satz übermittelt, der wie folgt gefallen sein soll:

„Heute wird überall nur noch rumgebrüllt. Da hätten wir Fridays For Future oder die Reichsbürger, die mit ihren Reichsflaggen auf den Straßen sind.“

Unter den Teilnehmenden in der Diskussionsrunde war auch der Landtagsabgeordnete und Generalsekretär der SPD Sachsen, Henning Homann. Dieser bestätigte auf Twitter die Gleichsetzung von Fridays for Future mit den so genannten Reichsbürgern.

Wie im Tweet von Henning Homann zu lesen ist, gab es auf diese Aussage hin eine spür- und hörbare Reaktion. Laut einem Tweet von FFF Sachsen müssen mehrere Menschen im Raum ihre Empörung hörbar gemacht haben.

Da in die Diskussionsrunde das Publikum mit einbezogen wurde, konnten sich die beiden anwesenden Fridays for Future-Aktiven auch direkt dazu äußern. In der Erwiderung der einen Person wurde dem Ministerpräsidenten deutlich gemacht, dass eine solche Gleichsetzung nicht okay ist und die zweite Erwiderung zeigte noch einmal das ganz grundsätzliche Problem in der Gleichsetzung auf: Die vollkommen falsche Darstellung des grundrechtlichen verbürgten Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung als einen undemokratischen und damit illegitimen Vorgang.

„Laut sein, ist nur eine Folge der Ignoranz. Ich finde es in einer Demokratie, in der wir leben und für die er damals auf die Straße gegangen ist, total legitim die Stimme zu erheben.“, sagte mir eine Aktivistin von Fridays for Future, die vor Ort war.

Würde er sich nur über die Art und Weise, wie der Protest gegen die fehlende Klimapolitik ausgetragen wird, aufregen, würden wir uns einfach nur kurz gegenseitig einen High-Five schenken und erwidern: Logisch, dass ihnen das nicht gefällt, das ist im Allgemeinen der Plan von Protest.

Durch die Gleichsetzung mit den sogenannten Reichsbürgern entsteht aber ein riesiges Problem, denn als sogenannte Reichsbürger versteht man gemeinhin Menschen, die die demokratisch gewählte Regierung der Bundesrepulik und deren Organe nicht anerkennen und die teilweise auch dadurch auffallen, dass sie Pläne schmieden, mit Waffengewalt diese Regierung zu stürzen, also mehr als eindeutig demokratiefeindliche Einstellungen und Pläne verfolgen.

Dieses tiefbraune Gesüpp mit den Jugendlichen von Fridays for Future zu vergleichen und dass in dem Augenblick, in dem er diese Gleichsetzung ausspricht, ihm nicht auffällt, dass dies vollkommen unpassend ist, ist mir persönlich unbegreiflich.

Denn! Fridays for Future ist nicht einfach nur eine Ansammlung von jungen Menschen, die ihre persönlichen Interessen sehen wollen.

Klar, Fridays for Future vertritt Interessen, allerdings sind das die Interessen einer jeder Person: Erhalt und Schutz des Lebensraums.

Berichte weisen nach, dass bereits 1977 Wissenschaftler des Öl-Konzerns Exxon herausfanden, dass durch die Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre der natürliche Treishauseffekt verstärkt werde, was eine Erderhitzung nach sich zieht. 1978 sollen die Erkenntnis formuliert worden sein, „dass eine Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration die globale Durchschnittstemperatur um zwei bis drei Grad erhöhen würde.“

1990 legte der Weltklimarat (IPCC) den ersten Sachstandbericht vor. 1995 fand in Berlin die erste UN-Klimakonferenz (COP 1) statt. 2015 vereinbarten auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris mehr als 150 Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen. Darin wurde u.a. festgelegt, die Erderwärmung deutlich unter 2°C zu halten und weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel war in Paris anwesend, Deutschland hat im September 2016 das Pariser-Klimaabkommen ratifiziert.

Und genau das, wie die Erkenntnisse aus der Wissenschaft, sind die Grundlagen von Fridays for Future. Es ist also nicht nur so, dass es in unserer Demokratie so vorgesehen ist, dass man auf die Straße geht und seine Stimme erhebt, nein es ist sogar so, dass bei Fridays for Future der Grund darin besteht, die Bundes- und Landesregierungen aufzufordern sich an die selbst gesteckten Ziel zu halten.

Es macht mich wütend und traurig, von einem Ministerpräsidenten eine solche Diffamierung zu erfahren, obwohl ich im Haus der Staatskanzlei persönlich von ihm gesagt bekam, dass er sich an das Pariser Klimaabkommen und die Vereinbarung, das 1,5°C-Limit nicht zu überschreiten, halte.

Das ist schlicht eines Ministerpräsidenten unwürdig und offenbart, dass die Problematik, also die von uns Menschen verursachte Erderhitzung, überhaupt gar nicht angegangen wird, mindestens aber weder aktiv noch begleitend als politische Aufgabe verstanden wird!

Kretschmer füllt demnach vortrefflich die Fußstapfen seines Vorgängers Tillich, in dessen Regierung es z.B. zu einem „Lex Greenpeace“ kam, um jedwede Transparenz bei den Vereinbarungen zwischen dem Land und der Kohleindustrie erfolgreich zu verhindern, der selbst einer der Vorsitzenden der sogenannten Kohlekommission war, dort wirksameren Klimaschutz torpedierte, um dann letztlich im September 2019 einen Aufsichtratsposten bei der Mibrag anzunehmen.

Was mich an dieser Stelle tatsächlich wieder ganz zur anfangs gestellten Frage bringt. Entscheiden sie selbst.

Möchten wir es hinnehmen, auf eine vier Grad heißere Welt zuzusteuern oder wollen wir heute lieber auf die Straße gehen und die Stimme erheben für eine Klimapolitik, die tatsächlich Weichen stellt und diesen Wahnsinn Erderhitzung stoppt?

https://www.mdr.de/sachsen/dresden/dresden-radebeul/kritik-tillich-aufsichtsrat-mibrag-100.html

veröffentlicht am 24. September 2020

Ein Kommentar

  1. Dettmannn, Ralf schrieb am

    Ich würde Strafanzeige wegen Volksverhetzung, Verleumdung und übler Nachrede stellen. Wenn Bürger die Einhaltung von Staatsverträgen und parlamentarischen Beschlüssen einfordern und diese dann mit Terroristen gleichgesetzt werden, ist das gänzlich inakzeptabel.

    Es gibt genügend wissenschaftliche Expertise, die zeigt, daß auch MP Kretschmer diese parlamentarischen Beschlüsse unterwandert.
    Das grenzt schon an Hochverrat.

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