Cameron Moll, Designer, Speaker und Autor aus Sarasota, Florida (United States) war so gut und teilt mit uns seine Erfahrungen aus seinem Kickstarter-Projekt. Die T3N-Redaktion war wiederum so gut und hat das für uns ins Deutsche übersetzt. Cameron Moll beschreibt sehr detailliert, was ihn sein Projekt – ein hochwertiges Poster der Brooklyn Bridge – kostete und ihm unterm Strich einbrachte. Derartige Transparenz wünsche ich mir persönlich viel öfter, das vorweg. Dass Cameron Moll jetzt in diversen Kommentarspalten auf Facebook viel Häme einstecken muss, halte ich für zu kurz gegriffen und schädlich für die Crowdfunding-Kultur in Deutschland.

Die Kostenaufschlüsselung

Die Crowdfunding-Kampagne brachte insgesamt 64.597 US-Dollar. Ursprünglich zielte er auf eine Summe 10.000 US$, so gesehen ein riesen Erfolg für ihn. Warum die Kostenaufschlüsselung dennoch für Diskussionsstoff sorgte, erklärt sich an mehreren Stellen. Dazu folgendes:

Etwas unklar bleibt ein Posten über eine Darlehensrückzahlung von 15.000 US$, die in der ursprünglichen Kalkulation mit einer Zielsumme von 10.000 US$ nicht dabei gewesen sein kann. Erklären würde das eigentlich nur die Sache mit der Einkommensteuer. Ich kann mir gut vorstellen, würde Cameron seine öffentlich präsentierte Rechnung mit einem höheren Gewinn aufstellen als er bei seiner Steuererklärung angab, könnte das Post nach sich ziehen. In seinem Text weißt Cameron auch noch einmal ausdrücklich darauf hin, wie wichtig es für seinen Fall ist, am Jahresende der Gewinn gering, also um alle Ausgaben bereinigt ausweisen zu können. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser Rat für das deutsche Steuerrecht nicht zutreffen muss und es sich mehr als lohnt über dieses Detail mit seinem Steuerberater zu unterhalten. Der Bericht von Cameron bezieht sich also auch auf Dinge, die in Sarasota, Florida USA gelten, eventuell aber nicht für uns.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, an dem wir gezwungen sind um die Ecke zu denken, weil es nicht direkt da steht. So erklärt er in seinem Beitrag, dass die Druckkosten genau so hoch waren, wie kalkuliert. Wie er das meint, mit 10.000 USS Druckkosten bei einer Zielsumme von 10.000 US$ kalkuliert zu haben, lässt er offen. Auf dem ersten Blick scheint Cameron Moll es billigend in Kauf zu nehmen, dass sein Projekt mit 10.000 US$ gar nicht funktionieren würde. Eigentlich ist es logisch: es muss mehrere Kalkulationen für verschiedene Ausgänge gegeben haben. Dass er deutlich über die Ziellinie kommen wollte, sieht man an den Gegenleistungen. So hat er neben den Postern als Gegenleistung für 100 US$ auch noch 100 early bird Poster für 80 US$ und 100 semi-early bird Poster für 90 US$. Cameron verrät einfach nicht alle Details seiner Strategie.

In einem Kommentar schreibt er, dass er darüber nachdenkt einen weiteren Artikel mit der Überschrift “What if my campaign funded exactly what I requested?” zu veröffentlichen. Also: Ja, es gab noch weitere Kalkulationen.

Die Zahlen, wie es tatsächlich ausgegangen ist:

Position Betrag Zwischenerg.
5 Prozent Kickstarter-Gebühren 3.230 US$ 61.367 US$
5 Prozent Händlergebühren 3.068 US$ 58.299 US$
Videoproduktion 1.000 US$ 57.299 US$
Kreditrückzahlung 15.000 US$ 42.299 US$
Druckkosten 10.000 US$ 32.299 US$
Versand-Verpackungen 5.811 US$ 26.488 US$
Lagerraum-Miete für fünf Monate 690 US$ 25.798 US$
Versandkosten 4.701 US$ 21.097 US$
befristete Aushilfen 2.000 US$ 18.356 US$
Booklet-Druck 3.360 US$ 14.996 US$
Poster-Reprinting 3.958 US$ 11.038 US$
erneute Versandkosten 3.115 US$ 7.923 US$
Einkommensteuer 3.000 US$ 4.923 US$
Netto-Gesamtgewinn 4.923 US$

Was das Endergebnis schmälerte, war ein Fehler, der Nachdrucke und erneute Versandkosten nötig machte. Ich kann mit vorstellen, dass es für einen Designer wohl das furchtbarste ist, was in einem Herzensprojekt passieren kann. (Siehe auch dieser Kommentar) Cameron Moll vertauschte zwei Buchstaben im Titel des Plakates. Aufgefallen ist dies erst einem Unterstützer, der per Mail fragte:

„Mein Brooklyn-Bridge-Poster ist gerade angekommen, und ich liebe es! Mir ist aufgefallen, dass die Schreibweise von „Brooklyn“ bei mir falsch ist. Ich weiß nicht, ob das vorher schon vorgekommen ist?“

Cameron Moll hat sein Lehrgeld bezahlt, nicht nur finanziell. Einen solchen Lapsus zu überstehen und offen darüber zu reden, zeugt für mich von Stärke und zeichnen einen Unternehmer aus. Wie viel leichter wäre es, sich anderen Projekten zu widmen und die Booklyn Brücke sein zu lassen. Ich empfehle eine weitere Rechnung aufzustellen. „The Brooklyn Bridge in Letterpress Type“ brachte VOR Abzug von Kosten für Lebenszeit und Erfahrung (Fehler > Reprintung) und NACH Abzug von Steuern ein Ergebnis von knapp 27.000 US$. Hinzu kommen bereits gedruckte Poster, die nun ebenfalls noch verkauft werden können.

„Sounds pretty successful…“  – auch im Originalbericht scheint es für einige so zu klingen, als wäre Cameron enttäuscht vom Ausgang seiner Crowdfunding-Kampagne. Ich habe den Bericht mehrmals gelesen und empfinde das nicht so.

Gegenüberstellung von Titel im Englischen und Überschrift im Deutschen

title + subtitle vs. Überschrift

Im Originalpost von Cameron ist der Titel anders zu verständlich als der, den T3N wählte. Ich würde meinen Cameron ging es nicht darum einen Rant über Crowdfunding zu schreiben, wie er in den Facebook-Kommentaren aufgefasst wurde, sondern eher um etwas wie: He schaut mal! Ich habe ein verrücktes Crowdfunding-Projekt gemacht und wahrscheinlich so etwas wie den Lapsus meines Lebens begangen. Das hätte mich in echte Depressionen schicken können, aber glücklicherweise habe ich eine wirklich cool Crowd. Danke! Und da das schwer ist zu erklären, was für mich als Designer bedeutet, habe ich mal versucht die Story anhand der Zahlen aufzubauen.

Bei der Übersetzung ist die Interpretation auf der Strecke geblieben. Leider. Auch das immer wieder (zurecht) angekreidete Wort „Spenden“ ist ein Mangel in der deutschen Sprache, Cameron verwendet das so in der Form nicht.

Nur aus Fehlern kann man lernen

Ich rechne es Cameron Moll hoch an, dass er seine Erfahrung mit uns teilt! Denn nur so sind wir überhaupt in der Lage das Potential, welches Crowdfunding hat, entsprechend schnell zu entwickeln. Man kann das sogar in eine Formel bringen und für jedes Projekt mit ähnlich besonderen Druckerzeugnissen quantifizieren. Man könnte sagen, mit diesen Erfahrungen lassen sich Druck- und Versandkosten um ca. 30 bis 35 Prozent senken.

Was ist eigentlich Crowdfunding-Kultur?

Crowdfunding entwickelt sich und das parallel an verschiedenen Stellen. Im Reward-based Crowdfunding ist zum Beispiel zu beobachten, dass der Aspekt des Verkaufens immer stärker wird und zwangsläufig andere Aspekte weiter in den Hintergrund drängt. Einige vermissen heute schon den ursprünglichen Charme, über Crowdfunding gerade auch neuen Ideen und eben auch solchen ohne vordergründigen Verkaufsgedanken zu ermöglichen.

Aber findet diese Entwicklung eigentlich ohne uns statt? Nein! Wenn Crowdfunding mehr sein soll, als nur ein zusätzlicher Weg zur Eröffnung neuer Märkte, dann ist es geradezu schädlich nicht-professionelles Handeln zu bemängeln. Wir müssen die Kultur fördern, nicht den Markt! Wenn wir professionelles und nicht-professionelles Vorgehen nicht gleichberechtigt behandeln, unterstützen wir zu allererst gerade diejenigen, die sich mit Märkten bereits bestens auskennen. Crowdfunding wird immer mehr zur Verkaufsplattform? Selber Schuld!

Es braucht ein Bewusstsein für den positiven Aspekt darin, Fehler zu machen, eine Fehlerkultur, die nicht nur brandmarkt. Wir brauchen nicht so tun als wöllte wir Risiko und damit eben auch die Auswirkungen von Fehlern auf viele Schultern verteilen, wenn wir das Ideal darin festmachen, überhaupt keine Fehler zu begehen! Das schöne am Crowdfunding ist doch, dass wir viel eher anfangen können Ideen umzusetzen, obwohl wir gerade noch nicht alles von allen Fehlern bereinigt haben. Eigentlich verfolgt Crowdfunding doch geradezu den Wunsch, Fehler überhaupt zu ermöglichen!

Crowdfunding ist Risikoverteilung, wenn wir nur das Funding allein betrachten, dann ist das der Grund, warum wir Menschen mit Ideen und Tatendrang gerade nicht zur Bank schicken. Das Risiko etwas auszuprobieren soll bewusst auf viele Schultern verteilt werden. Wenn wir Crowdfunding allein daran messen, ob mehr oder weniger Fehler gemacht wurden, kommt das einer Selbstgeißelung gleich. Wenn wir Fehler für den Markteintritt nicht mehr oder weniger zulassen, bleibt eben nur noch Marktlogik übrig.

Warum wir auch über Profit reden müssen:

Es scheint eine ganz grundsätzliche Frage zu sein, ob man bei er Berechnung der Kosten auch ein Profit mit eingerechnet werden kann oder eben nicht. Für mich ist es keine Frage. Denn eine andere muss gestellt werden, die die Antwort schon beinhaltet. Ist ein Projekt profitorientiert oder nicht? Für beides sollte Crowdfunding meiner Meinung nach eine Option sein. Auch im Reward-based Crowdfunding, auch für einen Designer und auch generell für Kunst- und Kulturschaffende, die sich gemeinhin immer an dieser Kante entlanghangeln oder sich permanent im Spagat befinden. Was ist Profit? Im Zweifelsfall das, von dem die Miete bestritten wird etc.

Bleiben wir bei Kunst und Kultur im klassischen Sinne, können wir mit Blick auf die gelebte Praxis behaupten, dass dies uns als Gesellschaft etwas wert ist. Auch finanziell. Die vielfältige Förderpraxis ist ein Beweis. Ein zweiter und dritter Blick zeigt uns aber auch, dass es trotz vieler Bemühungen längst nicht dafür reicht, dass alle und jede Bemühung in Kunst und Kultur auch finanziell unterstützt werden kann.

Ohne jetzt weiter darauf einzugehen, ob das denn sinnvoll wäre oder nicht, man muss ein paar Tatsachen gegenüberstellen. Ob Kunst und Kultur wichtig ist, fällt je nach Zielgruppe und „Sparte“ oder spätestens im Detail sehr unterschiedlich aus. Die Freiheit der Kunst bedeutet auch, Menschen nicht darin zu bevormunden ob sie ihren Lebensunterhalt über Kunst und Kultur erarbeiten möchten oder nicht.

Selbst bei bester fachlicher Ausbildung ist das Ausprobieren als Unternehmer die Regel. Oder anders gesagt: 95% der Absolventen einer Kunstschulen werden nicht direkt über diesen erlernten Beruf ein Einkommen erzielen. Der sprichwörtliche Meister fällt nicht vom Himmel, Kunst und Kultur aber ist gewollt. Fehlerkultur gehört also auch hier zwingend dazu! Es muss aber auch noch darüber hinaus gehen.

Denn natürlich muss ein Unternehmer profitabel arbeiten! Und infolge der Transparenz reden wir auch über Profit mit dem wir von vorherein auch rechnen müssen. Genau an dieser Stelle kann Crowdfunding wirklich etwas leisten! Alles oder nichts! Das gilt auch für Kunst und Kultur. Diese besteht eben längst nicht allein ans den Werken, die uns als Gegenleistung angeboten werden, sondern bezieht die Kunst- und Kulturschaffenden selbst mit eint. Wir können nicht Kunst und Kultur wollen und gleichzeitig noch dreimal überlegen, ob diejenigen auch darüber ihre Miete bezahlen können dürfen. Gern wird Kunst- und Kulturschaffenden nachgesagt mit einer rosaroten Brille durch die Welt zu gehen. Schauen wir doch mal genauer hin, wer ihnen diese aufgesetzt hat.

Wie also fördern wir die Crowdfunding-Kultur?

Die Crowdfunding-Kultur ist keine eigenständige Lehre, sondern baut auf andere Bausteine auf:

Förderung von Transparenz

Crowdfunding braucht Vertrauen. Transparenz ist eine sehr Grundlage, um ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen und zu pflegen.

Förderung von Erfahrungsaustausch

Der Austausch über gesammelte Erfahrungen und ein offener Umgang mit den Erfahrungen ist ebenfalls mehr als notwendig. Crowdfunding ist für alle beteiligten auch ein emotionaler Akt. Ich kann verstehen, wenn es nervt, dass immer wieder gleiche Fehler gemacht werden. Mich darüber zu ärgern, bringt aber nichts, sondern der offene Umgang. Crowdfunding im SchulUnterricht thematisieren? Natürlich!

Förderung von Fehlerkultur

Das habe ich im Text ausführlich dargelegt. Die Akzeptanz von Fehlern zu erhöhen gehört zur Idee im Crowdfunding dazu.

Förderung von unternehmerischem Bewusstsein

Im Text habe ich nur erwähnt, dass auch eine Option für nicht-profitorientierte Projekte sein muss. Ich denke, dass es dazu wenig Erklärung braucht, betonen möchte ich es dennoch, da mir das auch wichtig ist. Letztlich sind aber Projekte, wie wir sie auf VisionBakery, IndieGogo oder Startnext erleben, sehr oft vom unternehmerischen Handeln geprägt. Profit ist nur ein Bestandteil. Profit von Anfang an zu benennen und auch mit einzurechnen, ist für mich nicht nur eine Frage der Transparenz, sondern auch von unternehmerischem Bewusstsein.

Ich hoffe meine Ausführungen sind verständlich. Mich interessiert natürlich, was ihr davon haltet. Was ist eurer Meinung nach wichtig, um Crowdfunding weiter voran zu bringen?

veröffentlicht am 2. März 2015

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Ein Kommentar

  1. Wolfgang Gumpelmaier schrieb am

    Danke, Steffen. Vor allem für die Punkte am Ende des Beitrags. Was das Projekt von Cameron Moll angeht, stört mich hauptsächlich, dass er an manchen Dingen einfach selber Schuld ist. Aber unabhängig davon ist es extrem wichtig, dass sowohl erfolgreiche, als auch gescheiterte Kampagnen-Inhaber über ihre Erfahrungen berichten. Denn nur so können sie selber reflektieren und andere dabei unterstützen, nicht die gleichen Fehler zu machen…

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